Jungen- und Männerkongress 2021 im Rückblick

Den diesjährigen – und allen Corona-Widrigkeiten zum Trotz in Präsenz und unter 2G+-Regeln abgehaltenen – 4. SKM-Jungen- und Männerkongress haben wir der Frage „Was ist noch normal? Leben und arbeiten in und nach der Pandemie“ gewidmet.

Michael Hirsch

Wir starteten die dreitägige Veranstaltung mit einem Vortrag von Michael Hirsch, freier Autor und Privatdozent an der Uni Siegen, der die Teilnehmenden dazu einlud, ihre bisherigen Konzepte von Vollzeitarbeit zu hinterfragen, und für eine radikale Arbeitszeitreduzierung warb. Auf wessen Kosten geht eine solche neue soziale Grundnorm? Wie kann ein Umdenken strukturell angestoßen werden – so es denn gewünscht ist? – Diese und andere aufkommende Fragen wurden bis in den abendlichen Restaurantbesuch hinein verfolgt.

Mit dem Ausrichtungsort Berlin verfolgt der Jungen- und Männerkongress neben Fortbildung und Austausch auch das Ziel, mit politischen Akteur*innen ins Gespräch zu kommen: Gemeinsam konnten wir konkrete Forderungen und Bedarfe aus der Praxis der Jungen- und Männerarbeit an die Politik formulieren. Diese haben wir direkt an Dr. Birgit Fix weitergegeben, die im Berliner Büro des Deutschen Caritasverbandes für Armuts- und Arbeitsmarktfragen zuständig und das verbandliche Sprachrohr in die Bundespolitik ist. Zwar konnten wir dieses Jahr aufgrund des abschließenden Koalitionsbildungsprozesses Politiker*innen nicht für Gespräche gewinnen. Über das Gespräch mit Frau Dr. Fix konnten wir aber unsere Themen platzieren und an eine wichtige Akteurin im politischen Lobbying der verbandlichen Caritas weitertragen.

Ralf Bönt

Im weiteren Kongressverlauf durften wir Ralf Bönt begrüßen. Im ersten Pandemiejahr hat er in einem umstrittenen Artikel in ‚Die Zeit‘ die Frage einer möglichen Impfpriorisierung für Männer aufgeworfen. Männer sterben doppelt so häufig wie Frauen an und mit einer Coronaerkrankung; das Geschlecht ist nach dem Alter der zweitgrößte Risikofaktor. Trotz der sachlichen Argumente für eine geschlechtsspezifische Priorisierung bietet eine solche These viel gesellschaftlichen Zündstoff. Der Vortrag von Ralf Bönt mündete in ein Gespräch über einen männertypischen Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Gesundheit und der Forderung an Männer, über diese Themen ins Gespräch zu kommen.

Das nachmittägliche Praxisgespräch mit Karsten Kassner, Fachreferent des Bundesforum Männer, bot die Gelegenheit zu einem intensiven Austausch zum

Das Herz des Coworking-Spaces Pulsraum ist die Küche.

Thema Care-Arbeit. Auch wenn sich Männer im bisherigen Verlauf der Corona-Pandemie stärker in die Sorgearbeit eingebracht haben, sind dennoch Retraditionalisierungstendenzen erkennbar. Es wurde die Frage diskutiert, wie für Männer Anreize geschaffen werden können, sich mehr für Sorgearbeit zu engagieren. Unter dem Begriff ‚Caring Masculinities‘ soll sich ein vielfältiger Sorgebegriff etablieren (Sorge für sich und für andere, aber auch für das Gemeinwohl, die Umwelt, etc.), der ein Gegenangebot zu kursierenden Konzepten von „toxischer Männlichkeit“ oder „hegemonialer Männlichkeit“ macht.

Wie aber kann eine neue Form des Arbeitens sich räumlich und inhaltlich gestalten? Dieser Frage gingen die Kongress-Teilnehmenden mit der Besichtigung des Pulsraum auf den Grund. Der Coworking-Space im Osram-Kiez ist sowohl auf ökologische, aber auch auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet.

Der Kongress endete am dritten Tag mit einer Sitzung der AG Jungen- und Männerarbeit. Aktuelle Themen aus den Ortsvereinen, den Diözesanstellen und dem Bundesverband wurden besprochen sowie die Perspektiven der Jungen- und Männerarbeit in der kommenden Zeit. Die Teilnehmenden bestärkten die Notwendigkeit dieser jährlichen, mehrtägigen Zusammenkunft in Berlin, sodass wir uns freuen, auch nächstes Jahr wieder an Ort und Stelle zusammenzukommen, um die brisanten Themen der Jungen-, Männer- und Väterarbeit theoretisch, praktisch und politisch anzugehen.

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Autor*innen-Portrait

Vera Drüphake

Vera unterstützt das Team der Jungen- und Männerarbeit seit 2020. „Mir ist es wichtig, dass wir mit unseren Angeboten möglichst viele Jungen, Männer und Väter ansprechen. Daher liegt mein Augenmerk auf der bereits gelebten Vielfalt und dem Aufbrechen starrer Geschlechternormen.“